Karneval in Venedig

oder

Unser anderes Gesicht

 Liebe Mitmenschen!

Masken hat es von jeher bei den Menschen gegeben, egal auf welcher Entwicklungsstufe wir uns gerade befanden. Bei den Naturvölkern ist dieser Brauch noch besonders ausgeprägt, sie haben einen ganz anderen Zugang dazu, als wir in unserer „modernen“ Zeit. Wenn ein Schamane sich z.B. einen Wolfspelz oder ein Bärenfell überstreift, dann ist er in der Lage, sich komplett in dieses Tier hinein zu versetzen.

Die Masken und Verkleidung geben uns für kurze Zeit die Möglichkeit, unser anderes Gesicht zu zeigen und auszuleben. Und das unter dem Deckmantel des Karnevals. Niemand erkennt mich und somit kann ich mich frei und ungehemmt bewegen und verhalten. Es kann mir nichts passieren, ich werde für meine „Maske“ im Nachhinein nicht be- oder verurteilt. Die manchmal so hinderlichen Konventionen überschreite ich mit Leichtigkeit.

Bei der Gestaltung dieses Beitrages über den Karneval bin ich auf ein Zitat von Paul Schallück gestoßen: 

Die Maske ist unser wahres Gesicht.
Je mehr wir uns bemalen,
um so mehr scheint es durch.

Die Masken in Venedig haben mich schon immer fasziniert und ich war nun schon mehrmals am letzten Wochenende im Karneval dort. Abseits der Touristenströme durch die Gassen schlendern, in kleinen Läden der traditionellen Herstellung der Masken und der Kostüme zuschauen und am Canale Grande entlang zum Dogenpalast gehen, um dort die Masken und Kostüme der schweigend agierenden Verkleideten ausgiebig zu bewundern. Ein wahres Vergnügen!

Venedig liegt im Nordosten Italiens und ist die Hauptstadt der Region Venetien. Neben Rio de Janeiro gilt Venedig als Welthauptstadt des Karnevals. Beim Karneval in Venedig geht es, anders als in Rio de Janeiro, nicht um die freizügige zur Schaustellung des eigenen Körpers, sondern um die Verhüllung. Sie gewährt Anonymität.

Die christliche Bezeichnung des Karnevals „carne vale“ bedeutet „Fleisch, lebe wohl“ und läutet die Fastenzeit ein. In Venedig ist der Karneval seit fast 1000 Jahren belegbar, allerdings mit vielen Unterbrechungen, in denen den Venezianern das Feiern des Karnevals verboten war.

Zu Lebzeiten Giacomo Casanova`s erlebte der Karneval eine Hochzeit als ausschweifendes Fest mit prachtvollen Kostümen und gelockerten Sitten.

Die heutige Bekanntheit und Beliebtheit des Karnevals verdankt Venedig Federico Fellinis Meisterwerk „Casanova“. Durch diesen Film wurde eine wahre Begeisterung ausgelöst.

Der offizielle Beginn des Karnevals in Venedig ist 10 Tage vor dem Aschermittwoch und startet traditionell mit dem Engelsflug vom Camponile, das ist der Glockenturm des Markusdoms. Ein Artist schwebt dabei an einem Drahtseil gesichert, vom Camponile auf den Markusplatz.

Die Faschingszeit wird mit einem Umzug, Tanzshows, Konzerten, Ausstellungen, Musik, Filmen und Vorführungen begangen und gipfelt am Faschingsdienstag in einem Maskenzug über den Markusplatz.

Die traditionellen Karnevalsmasken werden aus Tageszeitungen und Tapetenleim hergestellt. Beides wird zu einem Papierbrei gemixt und dann einen Tag mit Wasser in einem Fass eingeweicht.

Diese Masse wird dann in eine mit Textilnetz bespannte Bleiform gefüllt und mittels Vakuumverfahren in Form gebracht. Nach dem Antrocknen wird der Rohling aus der Form genommen und getrocknet. Die Augen werden ausgeschnitten und dann wird die Maske ausgeschmückt.

Die venezianischen Masken gehen auf die Theatergattung der „Commedia dell Arte“ zurück, die sich im 16. Jahrhundert in Italien und Frankreich etablierte. Sie bot ein unterhaltsames Theater an, das vergleichbar mit einem Lustspiel war. Die Masken dienten dazu, die Gesellschaftsschichten untereinander abgrenzen zu können und Charaktereigenschaften zu symbolisieren. 

Ich stelle ihnen gerne einige Masken und ihre Bedeutung vor: 

Colombina
Sie hat eine flügelähnliche Form, die das Gesicht zur Hälfte bedeckt und bedeutet wörtlich übersetzt „das kleine Täubchen“. Diese Maske steht für die Weiblichkeit. 

Bauta
Sie ist die klassische venezianische Maske, formschön und ausdrucksstark und verdeckt das komplette Gesicht. Der Stadtadel trug sie zum Ausgehen um vollkommene Anonymität zu wahren. 

Zanni

Sie ist auch bekannt unter den Namen Pulcinella, Scaramouche, Brighella, Arlecchino oder Capitano. Die Form dieser Maske ist geprägt durch eine auffällig lange und spitze Nase. Den Erzählungen nach trug der Tod einst diese Maske, als er in Venedig sein Unheil trieb. Die Maske verkörpert das einfache, bäuerliche Volk mit wenig Intelligenz und fehlender Bildung.

Volto

Wörtlich übersetzt bedeutet der Ausdruck „Gesicht“. Die Maske ist wie ein zierliches Gesicht geformt. Sie ist recht beliebt bei den Venezianern und wird auch als „Maske der Bürger“ bezeichnet. Sie kann alle Emotionen widerspiegeln, wie z.B. lachen, weinen, zornig oder erstaunt.

Harlekin

Sie ist eine Halbmaske. Ein bunter Anzug aus Stoffflicken zusammengenäht ,mit den Farben Rot, Gelb, Blau und Grün, sollen der Legende nach darauf hinweisen, dass der Harlekin ein armer Mann ist und so kann er sich hinter der Maske verstecken. Die Maske gibt es mit lachendem und weinendem Gesichtsausdruck. 

Medico Della Peste

Sie ist eine Vollmaske, bedeckt also das ganze Gesicht. Der lange Schnabel ist nach unten gebogen und die Augen sind mit Glas verdeckt. Die Maske gehörte ebenso zur Kleidung des Pestdoktors wie lange Ledergewänder, Handschuhe und Krempenhut.

 

Venezianische Augenmaske

Sie ist ein Halbmaske und ähnelt der Columbina. Diese Maske bedeckt aber das Gesicht von der Stirn bis unter die Nase.

 

Stabmaske

Die Maske ist an einem Stab befestigt, der mit der Hand gehalten wird. So erlaubt sie eine spielerische Koketterie, nämlich das Wechselspiel zwischen Anonymität und wahrem Gesicht zeigen.

Maske mit Federschmuck

Die Federn waren ein Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung, sie waren ein Statussymbol zu Zeiten des Rokoko.

 

Moretta

Sie ist eine schwarze Frauenmaske und symbolisiert die „Stumme“. Die Maske wird an einem kleinen Knopf mit dem Mund gehalten. So sind die Damen zum Schweigen gezwungen. Für diese Maske könnte sich, glaube ich, so mancher Mann heute noch begeistern!

 

Beim heutigen Karneval in Venedig gibt es noch sehr viele dieser alten, überlieferten Masken und Kostüme zu bewundern. Es sind aber auch der Phantasie keine Grenzen gesetzt, wie die nachfolgenden Bilder zeigen.

 

Zum Abschluß möchte ich ihnen noch ein weiteres Zitat mit auf den Weg geben:

Karneval ist – von seiner Schminke befreit –
das Fest des „modernen“ Menschen
auf der Flucht vor sich selbst
zu sich selbst.
Peter Möser