Liebe Mitmenschen!

Ich habe ein schönes mazedonisches Märchen über einen uns allen bekannten Frühlingsboten gefunden, nämlich das Schneeglöckchen.

Viel Spaß beim Lesen!

Alle Dinge hatten schon ihre Farbe. Die Erde war braun, das Gras grün, die Rose rot und der Himmel blau. Nur für den Schnee war keine Farbe übriggeblieben.

Da entschloss sich der Schnee, die Anderen zu bitten, ihm etwas Farbe abzugeben. Zuerst ging er zur Erde. „Gib mir ein wenig von deiner braunen Darbe“, bat er. Die Erde aber schlief und antwortete nicht.

Da ging der Schnee zum Gras. „Gras, gib mir ein wenig von deiner Farbe!“ Das Gras war jedoch geizig und tat als hörte es nicht.

Da begab sich der Schnee zur Rose. „Gibst du mir ein bisschen rote Farbe, schöne Rose?“ Doch die Rose wandte sich stolz zur Seite.

Die Schlüsselblume wollte ihr Gelb für sich behalten, und das kleine Veilchen mochte von seinem bisschen Blau auch nichts hergeben.

So musste der arme Schnee unverrichteter Dinge weiterziehen. Schließlich blieb er vor einem bescheidenen Blümchen am Waldrand stehen. „Könntest du vielleicht ein wenig von deiner schönen weißen Farbe entbehren?“ fragte er. Das weiße Glöckchen wollte zuerst auch nicht. Da wurde der Schnee traurig und sagte: „Dann wird es mir auch so ergehen wie dem Wind. Der hat keine Farbe und brüllt und bläst bloß. Niemand kann ihn sehen.“ Da erbarmte sich das weiße Blümchen und gab dem Schnee seine Farbe.

So ist der Schnee weiß geworden. Und die bescheidene kleine Blume vom Waldrand, die heute in unseren Gärten blüht, heißt Schneeglöckchen.

Allen Blumen ist der Schnee seither gram und lässt sie erfrieren. Nur das Schneeglöckchen schont er, ihm fügt er keinen Schaden zu.


Viel Freude beim Finden der ersten Schneeglöckchen im heurigen Jahr.

Monika Burgstaller